Wurst oder Beißer, das ist hier die Frage

Zur Ankündigung EU-weit fleischähnliche Bezeichnungen pflanzlicher Produkte zu verbieten

von Ralf Müller-Amenitsch

Derzeit gibt es eine gewisse Verunsicherung, wie man als Produzent vegane Produkte bezeichnen kann, wenn sie Milch oder Fleisch ersetzen, oder ihnen in der Darstellung und Konsistenz ähneln.

Gerade für Startup unternehmen und junge Produktentwickler können sich hier rechtliche Probleme als existenzgefährdend herausstellen. Rechtliche Probleme entstehen im Zusammenhang mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Wenn entweder eine Gefahr der Verbraucher-täuschung besteht, oder gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen wird, dann drohen strafbewehrte Unterlassung klagen und auch Strafen.

  • Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche (§ 8 UWG)
  • Ansprüche auf Schadensersatz (§ 9 UWG) und Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG)
  • Strafrechtliche Sanktionen (§§ 16 ff. UWG).

Seit dem sogenannten Tofutown-Urteil, in dem europaweit geklärt wurde, dass vegane Produkte nicht als Käse, Milch, Quark oder ähnlich bezeichnet werden dürfen, stellt sich die Frage, wie sich die Rechtslage in Hinblick auf fleischähnliche Produkte darstellt.

Um das Tofutown-Urteil zu verstehen und die Rechtslage im Hinblick auf fleischähnliche Produkte nachzuvollziehen, muss kurz auf die Situation bei Milch- und Käseprodukten eingegangen werden.

Rechtsgrundlage ist hier eine EU-Verordnung. Die EU 2013 (EU-Verordnung über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse regelt, dass der Ausdruck »Milch (…) ausschließlich dem durch ein-oder mehrmaliges Melken gewonnenes Erzeugnis der normalen Eutersekretion ohne jeglichen Zusatz oder Entzug vorbehalten ist.«

Wenn man also ein Produkt als Sojamilch oder Sojakäse bezeichnet, dann verstößt es gegen die Verordnung und die nationalen Regelungen, die diese Verordnung umsetzen. Es gibt auch eine Ausnahmeregelung zu der Verordnung, nach der traditionelle Produktbezeichnungen, die milch- oder käseähnlich sind, noch erlaubt sind. D. h. erlaubt sind lediglich Produkte, die in der Ausnahmeliste stehen. Zu nennen wäre hier Erdnussbutter, Milchner und ähnliche traditionelle Produkte.

Im Tofutown-Urteil wurde bestätigt, dass eine Falschbezeichnung auch ein Verstoß gegen das UWG bedeutet. Dies ist bei der eindeutigen Regelung in der Verordnung nicht überraschend. Zu kritisieren ist jedoch, dass die europäischen Richter eine Verwechslungsgefahr beim Verbraucher sehen, dies selbst dann, wenn ein Produkt mit dem Zusatz 100 % vegan versehen ist.

Dies stellt einen gewissen Traditionsbruch im Vertrauen auf die Verbraucherkompetenz der europäischen Rechtsprechung dar.
Die Verwechslungsgefahr ist, wie statis-tische Erhebungen ergeben haben, sehr gering.

So hatte eine Umfrage der Verbraucherzentrale (Bundesverband) ergeben, dass nur 4 % aller Deutschen einmal in ihrem Verbraucherleben aus Versehen ein vegetarisches Produkt gekauft haben oder umgekehrt, Vegetarier oder Veganer aus Versehen ein Produkt gekauft haben, welches unerwünschte Tierbestandteile enthält.

Von einer statistisch relevanten Verwechslungsgefahr kann man daher aus Sicht des Autoren nicht ausgehen. Zu Recht wurde daher das EuGH Urteil unter diesem Aspekt von verschiedenen Autoren kritisiert.

Die wachsende Anzahl an veganen Produkten und veganen Verbrauchern, legt nahe, fleisch und milchähnliche Produktbezeichnungen zu verwenden.
Für Verbraucher und Hersteller hat die Bezeichnung eines veganen Fleischersatzproduktes, zum Beispiel Schnitzel, viele Vorteile. Die Be-zeichnung ermöglicht es dem Verbraucher zu verdeutlichen, was er von dem Produkt im Hinblick auf Textur, Geschmack und Zubereitungsart erwarten kann. Der Verbraucher kann so gut und sicher zu seiner Kauf-entscheidung geführt werden, die sowohl dem Verbraucher wie auch der Industrie nutzt.

Bei Fleischprodukten hatte wir weder auf europäischer, noch auf deutscher nationaler Ebene ein Gesetz, das eine entsprechende Bezeichnung verbieten würde.

Mittlerweile haben sich Produktbezeichnungen wie vegane Wurst-, Schnitzel-, Nuggets und ähnliches auf dem Markt etabliert und bieten dem veganen Verbraucher eine wertvolle Orientierungshilfe bei der Suche geeigneter Produkte.

Verbraucherrechtlich sind Produktbezeichnungen gewünscht, die es dem Kunden ermöglichen, eine schnelle und leichte Wahlmöglichkeit der gewünschten Produkteigenschaften zu erhalten.

Im Hinblick auf Fleischersatzprodukte gilt daher der Grundsatz, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Solange der nationale Gesetzgeber oder die EU kein entsprechendes Verbot regelt, dürfen Produkte fleischähnliche Namen tragen. Eine Ausnahme kann nur dann bestehen, wenn zusätzlich ein regionaler Produktschutz besteht, wie zum Beispiel »Schwarzwälder Schinken«.

Angesichts der rasant wachsenden Marktanteile im Bereich veganer Fleischersatzprodukte, wirkt es daher nicht ganz zeitgemäß, unter dem Vorwand der Verwechslungsgefahr die aus Verbrauchersicht sinnvolle Produktbezeichnungen zu unterdrücken. Zwei entsprechende Versuche in diese Richtung sind bereits gescheitert.

Ex Agrarminister Schmidt setzte sich für eine EU-weite Verbotsregelung ein. Die europäische Kommission wies dieses Ansinnen mit der Begründung ab, dass eine Verwechslungsgefahr bei Fleisch nicht gesehen werde und dass der Verbraucherschutz nach geltendem Recht gewährleistet sei.

Auch der Versuch des französischen Gesetzgebers ein entsprechendes Verbot zu regeln, scheiterte vor dem französischen Verfassungsgericht, wenn auch aus formalen Gründen.

Langfristig werden vegane Produkte zur normalen Konsumspalette gehören. Gegenläufige Initiativen wirken rückwärtsgewandt und gerade die neuen Entwicklungen aus der amerikanischen Nahrungsmittelindustrie versprechen noch viel Bewegung auf einem neuen und spannenden Markt.

In einem verzweifelten Rückzugsgefecht, unter dem Vorwand der Verwechslungsgefahr, kommt jetzt wohl sehr bald das Verbot über die EU-Ebene. Geplant ist eine Umsetzung nach der Europawahl.

Dies ist eine historische Chance für die vegane Szene ihre Kreativität nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch bei der Produktbezeichnung zu entfalten. Wir können uns dann endlich von den alten Bezeichnungen befreien. Im Bereich Innovation hat die Fleisch und Milchindustrie ohnehin kaum mehr etwas geleistet. Bei den veganen Produkten brodelt hingegen die Kreativität.

In unserem Berliner Thinktank mit Prof. Jan Wirsam, der kulinarischen Unternehmensberatung Branding Cuisine und unserem PETA-Experten haben wir daher beschlossen, bis zur Verabschiedung der Verordnung ein Lexikon der alternativen Fleischbezeichnungen herauszugeben.

Ziel ist es, dem Verbraucher seine Kaufentscheidung zu erleichtern, wenn er Fleischersatzprodukt oder aber ein neues Produkt kennenlernen möchte.

So viel kann ich versprechen, es wird lecker und bessere Bezeichnungen als »Disc« für Burger, wie es die EU vorschlägt, haben wir schon gefunden.

Ralf Müller-Amenitsch ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für pflanzenbasiertes Verbraucherrecht und Tierrechte an der Fachhochschule des Mittelstandes in Berlin